Gesehen mm 19. 10. 2025

Ich bin Brecht-Fan, naja, wenig überraschend, Brecht war ein Genie. Wenn das Burgtheater Bernhard spielt gehen wir hin. Und wenn es Brecht spielt, dann auch. Ich glaube ich hatte zwei heftige Brechtphasen, mit zirka 25 und vor einem Jahr mit zweiundfünfzig, wo ich jedes Mal 8 oder 10 Stücke von Brecht gelesen hab. „Herr Puntila …“ hab ich wohl vor 35 Jahren das erste Mal gelesen und jetzt zum ersten Mal tatsächlich auf einer Bühne gesehen. Die Verfilmung von Alberto Cavalcanti von 1960 hab ich glaub ich öfter gesehen, brillant, wie Curt Bois und Heinz Engelmann sich gegenseitig durch den Film manövrieren. Keiner konnte den Film, der 1955 in Wien entstanden, aber erst 1960 veröffentlicht worden ist, leiden.

Aus reiner Großmannsucht haben wir uns zwei Plätze erste Reihe Loge rechts Parterre gekauft und wirklich, wunderbare Plätze. Ein Platz hinter uns war verkauft, wer auch immer ihn gekauft hat, er ist nicht aufgetaucht, vielen Dank. In der Loge rumlümmeln hat schon ein anderes Flair als beengt zwischen den Sitzen.

Gegen Ende des Stücks verwandelt sich das Bibliotheksbühnenbild in diese bunte Landschaft.

Brecht schrieb „Puntila“ im Exil zu Beginn der 1940er-Jahre, wie alle Stücke von Brecht ging es aus einer Zusammenarbeit hervor und zwar mit der finnischen Schriftstellerin Hella Wuolijoki, deren Stück „Die Sägemehlprinzessin“ Vorlage für „Puntila“ war. Puntila ist bei Brecht ein wohlhabender Gutsbesitzer, Eigentümer eines Sägewerks, eines Waldes, von 90 Kühen und einer Tochter, die er gesellschaftlich vorteilhaft mit einem Attaché verheiraten möchte. Sein größtes Problem ist es, ob er sich von seinem Wald als Mitgift für Tochter Eva trennen soll oder seine Freiheit für seine eigene Hochzeit mit einer wohlhabenden Dame aus dem Dorf aufgeben soll.

Puntilas eigentliches Problem ist der Alkohol. Über weite Strecken der Zeit betrunken ist er in diesen Phasen ein mitfühlender, gefühlvoller, intelligenter und sich mit allen Menschen verbrüdernder Mensch, für den es keine soziale Kluft zu seinen Untergebenen gibt. Nüchtern ist er allerdings ein kalter, rücksichtsloser Kapitalist, dem ein Mensch nicht mehr bedeutet als ein paar seiner Bäume. Es ist durchaus passend, dass der deutsche Regisseur Antú Romero Nunes seine Inszenierung damit beginnen lässt, dass von Menschen dargestellte Kühe über die Bühne traben, liebevoll getätschelt von Puntila.

Ihm zur Seite steht sein Fahrer Matti, der es wagt Puntila die Meinung zu sagen, was dem betrunkenen Puntila durchaus recht ist, dem nüchternen Puntila ist Matti aber ein Dorn im Auge, er überhäuft ihn mit Beleidigungen, Verdächtigungen und Unterstellungen. Beim nüchternen Puntila ruft eine Liaison zwischen Matti und Puntilas Tochter Eva Entsetzen hervor, der betrunkene Puntila tut alles, damit Eva sich überhaupt eignet, von Matti als Braut akzeptiert zu werden. Puntilas Vorhaben, Eva an Matti zu verheiraten scheitert aber am Ende an Eva: die soziale Kluft, von Eva zunächst ebenfalls negiert, weil sie Matti interessant, abenteuerlich, männlich und schlagfertig findet, tut sich in dem Moment auf, als Matti seiner Zuneigung auf der Bühne des Burgtheaters durch einen intensiven Kuss belegt (im Stück ist es ein Klaps auf Evas Hintern), worauf Eva förmlich erfriert und schmallippig abgeht.

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